Donnerstag, 29. Dezember 2022

Körpersprache und Dysphorie

 


Unsere Stimme und unsere Körperhaltung sind zwei unserer wichtigsten Werkzeuge zur Selbstverteidigung. Wie wir uns in verschiedenen Situationen positionieren, was unsere Haltung dem Gegenüber signalisiert entscheidet häufig darüber, ob kritische Situationen überhaupt eskalieren.
Die Stimme verdeutlicht unsere Grenzen, kann abschrecken und sich Unterstützung von umstehenden Menschen sichern. Als queere Menschen haben viele von uns ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Körper und ihrer Stimme.
Insbesondere für trans Personen und nicht-binäre Menschen kann der eigene Körper sich falsch anfühlen und nicht dem Gender zugehörig. Dieses Gefühl nennt man Genderdysphorie.
Die Stimme ist oftmals ein Merkmal, das in Bezug auf ein bestimmtes Geschlecht interpretiert wird und erzeugt dadurch für viele Menschen ebenfalls ein Gefühl von fehlender körperlicher Zugehörigkeit zu der eigenen Person. 


Wenn wir über Körperhaltung und Körpersprache in der Selbstverteidigung sprechen, dann meinen wir damit ein bestimmtes, selbstbewusstes Auftreten und bewusst Raum für sich beanspruchen.
Für viele Menschen - insbesondere weiblich sozialisierte Menschen und/oder Queers - ist das absolut kontraintuitiv. Viele Queers haben die Erfahrung gemacht, dass es gefährlich für sie ist wenn sie auffallen und als queer wahrgenommen werden. In einer endocishetero-normativen Welt wird uns abgesprochen, Raum einnehmen zu dürfen. Nicht überall können wir mit einem sicheren Gefühl zeigen, wer wir sind und wie wir leben.
Es erfordert viel Zeit und Übung, den eigenen Körper dazu zu nutzen, sich Raum in der Welt zu nehmen und diesen Raum auch zu verteidigen. 


Das beginnt schon bei einer aufrechten Haltung und einem klaren, geraden Blick. Menschen, die dysphorische Gefühle in Bezug auf die Breite ihrer Schultern oder ihre Körpergröße insgesamt haben oder auch Menschen, die sich unwohl mit ihren Brüsten fühlen, neigen verständlicherweise sehr dazu, sich klein zu machen und die Schultern eher hängen zu lassen. 

Auch das Gefühl, Menschen gerade und klar anzuschauen und damit auch zuzulassen, dass man zurück angeschaut wird, bereitet häufig Unbehagen.
Die Hände zu heben und den eigenen Safe Space damit zu schützen, kann ebenfalls Überwindung kosten. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass man trans Personen an den Händen ablesen könnte, welchem Geschlecht sie bei ihrer Geburt zugeordnet wurden. 


Genauso verhält es sich mit der eigenen Stimme. Auch im Rahmen einer hormonellen Transition dauert es recht lange, bis sich die Stimme dem eigenen Geschlecht anpasst. Trans Personen leben ohnehin schon mit einem extrem erhöhten Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, insbesondere wenn sie als trans „geclocked“ werden. Unter Umständen kann also der Einsatz der Stimme in kritischen Situationen zu einer Gewalteskalation führen. Hinzu kommt, dass es für viele Menschen unangenehm ist, die eigene Stimme laut zu hören. Auch Stimme nimmt Raum ein und macht Menschen aufmerksam. 



All das gilt es zu bedenken, wenn wir über queere Selbstverteidigung sprechen. Es gibt kein One Size Fits All Konzept. 

Wir haben alle unterschiedliche Erfahrungen gemacht, wir werden alle unterschiedlich von der Außenwelt wahrgenommen und sind dadurch alle unterschiedlichen Risiken und Gefahren ausgesetzt. 


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